
Stadtführungen barrierefrei(er) gestalten
Von „Barrierefreiheit“ zu sprechen, ist tückisch. Denn „barrierefrei“ im engeren ist eigentlich nichts. Aufgrunddessen spricht man häufig auch von „barrierearm“, was aber möglicherweise noch mehr Fragen aufwirft. Viel wichtiger als die Bezeichnung ist allerdings die Umsetzung.
Kürzlich haben wir den Hafenrundgang „Wellenschrauschen und Stadtgemunkel“ gemeinsam mit dem Theater Konstanz entwickelt und können aus diesem Beispiel berichten, wie Stadtführungen barrierefrei(er) werden können. Weitere Veranstaltungen dieser Art haben wir bereits in Stuttgart und Leipzig organisiert.
Objekt- und Wegbeschreibungen
Für Menschen mit Sehbehinderung sind Objektbeschreibungen oder auch Beschreibungen dessen, worüber gesprochen wird und wo man sich befindet, sehr wichtig. Sie können sonst nur schwer eine Vorstellung darüber entwickeln und Hintergrundinformationen schwerer ordnen. Hilfreich ist hierbei, ein Audioguide-System zu nutzen. Das hat den Vorteil, dass auch blinde und sehbehinderte Menschen den Erklärungen unmittelbar folgen können, ohne, dass sie sich an eine bestimmte Position bspw. in die Nähe des Stadtführers / der Stadtführerin begeben müssen. Besonders in lauten Umgebungen können die Kopfhörer außerdem Umgebungsgeräusche dämpfen und so dabei helfen, den Fokus auf die Stadtführung zu halten. Ein Audioguide-System kann auch Menschen, deren Hörfähigkeit abgenommen hat oder geringer vorhanden ist, eine Unterstützung sein. Hierüber können auch Induktionsschleifen eingebunden werden.

Verortung und Wegbeschreibung
Als Grundlage für eine Stadtführung kann eine taktile Karte bzw. eine Tastmodell einer Stadt oder eine Region einen guten Überblick verschaffen. Außerdem können Menschen mit Sehbehinderung eine Vorstellung über die Größe und Anordnung von Gebäuden entwickeln. Hinzu kommt, dass die Lage und Ausrichtung von Sehenswürdigkeiten über den Tastsinn erfahrbar gemacht werden kann.

Aber auch wenn kein Tastmodell vorhanden ist, sollte die geplante Route gleich zu Beginn erklärt werden. Hilfreich ist das Benennen markanter Haltepunkte oder auch das Arbeiten mit Himmelsrichtungen (bspw. „Wir bewegen uns südlich der Altstadt von Osten nach Westen“). So wissen alle, worauf sie sich einstellen können. Auch während des Laufens kann über das Audioguide-System eine kurze Beschreibung der Umgebung helfen, um bspw. blinden oder sehbehinderten Menschen eine Vorstellung der Umgebung zu vermitteln. Techniken der Audiodeskription finden hier Anwendung.
Einbinden taktiler Elemente
Nicht nur für Menschen mit einer Sehbehinderung kann das Ertasten von Dingen einen Erkenntnisgewinn bedeuten. Auch sehende Menschen und vornehmlich auch Kinder erfreuen sich daran und stellen eine bessere Verbindung zwischen dem Gesagten und dem Objekt her. Speziell bei Gebäuden oder auch abstrakten Elementen empfehlen wir – fernab von einer auditiven Beschreibung – auch mit Tastobjekten zu arbeiten. So manches Gebäude ist dabei in Miniatur in einem Souvenirshop zu erwerben.

Multimediale Aufbereitung
Um eine Stadtführung barrierefreier zur gestalten, sollten verschiedene Medien einbezogen werden. Hilfreich ist hierbei die Verwendung eines Tablets, welches sich leicht tragen lässt und als Multimedia-Player sowohl Fotos als auch Sounds abspielen kann. Für Menschen mit einer Hörbehinderung können die Erklärungen während der Stadtführung in Form von Untertiteln oder auch per aufgezeichneter Gebärdensprachdolmetschung verfügbar gemacht werden. Sehr nützlich ist – etwa bei Fotos – auch die Zoom-Funktion, die viele Tablets bieten. Mit deren Hilfe können sich Menschen mit Sehbehinderung Teile von Abbildungen so vergrößern, dass sie für sie noch erkennbar sind.

Es gibt gute Gründe, sich Gedanken über Barrierefreiheit zu machen. Denn vermeintliche „Hilfsmittel“ können auch für Gäste ohne Behinderung eine Bereicherung darstellen. Außerdem gilt immer: Wer versucht Barrieren abzubauen, der kann ganz neue Zielgruppen erschließen.
Die hier aufgeführten Umsetzungen, um Stadtführungen barrierefrei(er) zu machen, hegen natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viele weitere Möglichkeiten. Sprecht uns bei Fragen dazu gerne an.