SICHTBAR – Der Podcast: Wie funktioniert Blindenschach?
Wie funktioniert Blindenschach?
Ganz allgemein ist Schach ein hoch inklusiver Sport, erklärt Gert Schulz. Und er muss es als erster Referent für Inklusion beim Deutschen Schachbund (DBS) wissen. Der gebürtige spielt seit 1990 wegen seiner nachlassenden Seh-Fähigkeit Blindenschach und gehört zu den besten deutschen Spielern. Florian Eib hat Gert Schulz in Hanau getroffen, beide haben gespielt und sich währenddessen darüber unterhalten, wie Blindenschach gespielt wird, warum sehbehinderte oder blinde Spieler beim Online-Schach benachteiligt sind und wie man es schaffen kann, das inklusive Potenzial des Schachsports voll auszunutzen.
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Schach als Schicksal fürs Leben
Das Schachspielen hat Gert Schulz viele Möglichkeiten eröffnet. „Ich weiß nicht, wo ich heute ohne Schach stehen würde“, sagt der 59-Jährige, der das Spiel durch einen Schulfreund und dessen Familie erlernte. Lange Zeit hätten er und seine Familie nicht gewusst, wie schlecht er wirklich sehe. Bis Schulz dann als Anfang 20-Jähriger in den Heidelberger Blindenschachverein eintrat. Er fand dort Gleichgesinnte, andere Leute, die schlecht sehen konnten und stellte fest: „Im Vergleich dazu siehst du doch besser. Wenn die glücklich und zufrieden sein können, dann kann ich das auch.“ Gleich in seinem ersten Spieljahr beim Blindenschach ist Gert Schulz mit seinem Verein Deutscher Mannschaftsmeister geworden, plötzlich gehörte er zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft: „Schach hat mir manche Türen aufgemacht und ich habe dann den Mut gehabt, auch wirklich durch zu gehen“, sagt er heute.
Das Problem mit dem Online-Schach
Spätestens zu Corona-Zeiten hat Schach im Online-Bereich eine deutliche Entwicklung genommen. Täglich werden etliche Turniere mit Kommentar gestreamt, Partien analysiert – Schach-Influencer haben mittlerweile viele tausend Abonnenten. Allein sehbehinderte oder blinde Schachspieler können hier nicht teilhaben. Zu kurz sind die gewöhnlichen Bedenkzeiten. Sie erlauben es nicht, die Positionen der Figuren zu setzen und das Spielfeld bei Bedarf und zur Absicherung regelmäßig zu ertasten.
Wo sich voll-sehende Spieler auf ihren geschulten Sichteindruck verlassen, können Blindenschach-Spieler nicht mithalten. Längere Bedenkzeiten wiederum erhöhen die Gefahr auf Tricksereien mittels Computerprogrammen und sind deshalb umstritten.
Weiterhin problematisch: Auch Schach-Erklärvideos sind oft nicht barrierefrei. Wenn Pfeile ohne Erklärung eingeblendet werden oder eine Figur „hierhin“ geht, können Menschen mit Sehbehinderung nicht folgen. Hier wäre ein Umdenken notwendig.
Referent für Inklusion - Netzwerk im Fokus
Seit 2019 ist Gert Schulz Referent für Inklusion beim Deutschen Schachbund. Es ist das erste Mal, dass eine solche Stelle im Sportverband geschaffen wurde. Im Podcast erklärt uns Schulz, welche Entwicklungen es bereits in den vergangenen Jahren gegeben hat und was ihm bei seiner Tätigkeit ein besonderes Anliegen ist. Der Netzwerk-Gedanke spielt dabei eine zentrale Rolle. Themen wie Zugänglichkeit zu Schachclubs und die unterschiedlichen Anforderungen für verschiedene Behinderungen, möchte er nachhaltig ins öffentliche Bewusstsein rücken. Damit soll Schachvereinen Mut gemacht werden, sich auch für Spielerinnen und Spieler mit Behinderung zu öffnen. Wer Kontakt mit Gert Schulz aufnehmen möchte, kann das über die offizielle Referenten-Seite tun.
Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org. SICHTBAR – Der Podcast wird von HörMal Audiodeskription in Kooperation mit dzb lesen herausgegeben.