Zum Inhalt springen
Startseite » Louis Braille Festival 2024

Louis Braille Festival 2024

SICHTBAR – Der Podcast. Im Gespräch mit Thomas Zwerina. Das Foto zeigt Florian Eib von HörMal Audiodeskription und SICHTBAR – Der Podcast im Interview mit dem Autor Thomas Zwerina. Beide sitzen sich in Sesseln gegenüber. Hinter ihnen steht ein Tisch. Darauf Zwerinas Buch „Eine Fingerkuppe Freiheit“ in Schwarz- und in Brailleschrift sowie verschiedene Grünpflanzen.

SICHTBAR – Der Podcast: Eine Fingerkuppe Freiheit

„Eine Fingerkuppe Freiheit“

„Plötzlich hat alles Sinn gemacht“, sagt Thomas Zwerina zu der Situation, als er den Vertrag für seinen ersten Roman in der Tasche hatte. Vielleicht sei sein Leben eben so verlaufen, damit er als erblindeter Mann eine Geschichte zu der Person erzählen darf, von der man heute weiß, dass sie Millionen sehbehinderten und blinden Menschen die Freiheit zu Lesen und vor allem auch zu Schreiben gegeben hat. Florian Eib hat im Rahmen einer Lese-Veranstaltung zur Leipziger Buchmesse mit Thomas Zwerina über seine emotionale Beziehung zu Louis Braille gesprochen. Jetzt auf Spotify, bei Apple PodcastsGoogle und überall, wo es Podcasts gibt. 

Mit 13 Jahren „zum ersten Mal erblindet“

Aufgrund einer Netzhautablösung ist Thomas Zwerina, wie er selbst sagt, mit 13 Jahren „zum ersten Mal“ erblindet. In den 70er Jahren waren entsprechende Operationstechniken noch nicht so weit entwickelt wie heute. Fünf Monate verbrachte der Teenager in diversen Augenkliniken – eine in vielerlei Hinsicht schmerzhafte Zeit, in der er sich von zu Hause und von seiner bis dahin gewohnten Umgebung „entfremdet“ habe.

Heute kaum vorstellbar, verbrachte Thomas Zwerina aufgrund seiner Erkrankung insgesamt eineinhalb Jahre ohne schulische Bildung zu Hause. Der Weg des wissbegierigen Jungen zurück an seine alte Schule wurde ihm aufgrund der fehlenden inklusiven Praxis verwehrt, er solle eine Schule für Lernbehinderte besuchen. Weitere Unterstützung bekamen er und seine Familie nicht. Über eine Sehbehindertenschule in Stuttgart kam Thomas Zwerina mit 17 Jahren an die Blista in Marburg und erlernte dort die Blindenschrift, die ihn nachhaltig beeindruckte.

 

Thomas Zwerina bei SICHTBAR – Der Podcast: Das Foto zeigt den Autor Thomas Zwerina in einem Interview. Er hat eine Halbglatze, trägt ein hellblaues Hemd, eine schwarze Lederjacke und eine dunkle Jeanshose. Er sitzt in einem Sessel, von links ragt eine Hand ins Bild, die ein Mikrofon in Zwerinas Richtung hält. Hinter dem Autor steht ein Tisch. Darauf sein Buch „Eine Fingerkuppe Freiheit“ in Schwarz- und in Brailleschrift sowie einige Grünpflanzen.
Thomas Zwerina – ein Mensch, der viel zu erzählen hat. In SICHTBAR – Der Podcast berichtet der Autor von seinem Buch und seinem Leben. Foto: HörMal Audiodeskription

Sechs Punkte zu mehr Selbstständigkeit

Thomas Zwerina wurde schlagartig klar: „Du musst unbedingt diese Schrift lernen. Das ist der Ausweg für dich. Du willst einmal für dich selbst sorgen können.“ Denn seit der Entwicklung der Braille-Schrift oder auch Sechspunkt-Schrift können sehbehinderte und blinde Menschen mit einem einfachen System nicht nur selbstständig lesen, sondern auch schreiben. „Eine Fingerkuppe Freiheit“ ist eine Art Metapher und gleichzeitig eine Hommage an den jungen Franzosen Louis Braille, der im 19. Jhd. – auch gegen zahlreiche Widerstände – den Weg hin zu ein bisschen mehr Selbstständigkeit für viele sehbehinderte und blinde Menschen ebnete.

Thomas Zwerina sagt: „Ich teile mit Braille sehr viel, nicht nur die Blindenschrift, sondern auch gewisse Erfahrungen“. Damit meint er zum einen schulische Erfahrungen, aber auch Erfahrungen in der Wahrnehmung von sehbehinderten und blinden – die Geruchs- und andere Sinneswelt, die Welt des Tastens. Hier zeigt sich eine Besonderheit im Schreiben Zwerinas. Anders als andere Autoren, beschreibt er die Wahrnehmung seiner Figur eher aus der Sicht eines Blinden, entwirft so neuartige Bilder. 

Die besondere Tragik des Louis Braille

2018 ist Thomas Zwerina voll erblindet. Letztlich ein weiterer Schritt zu seinem ersten Roman, denn dieser erneute Schicksalsschlag hat ihn noch mehr zum Schreiben gebracht: „Ich wollte, dass die Welt, die Farben, die ich noch sehen konnte, meine Vorstellungen weiterleben.“ Die Idee, über Louis Braille zu schreiben, lag ihm gewissermaßen zufällig im Schoß. Die Gewissheit kam, als Zwerina ein Punktschriftbuch las. Er begann zu recherchieren und entdeckte zahlreiche Konflikte, die Louis Braille bei seiner Entwicklung der Braille-Schrift umgaben. Einer davon: wie sich die Schrift nur langsam gegenüber anderen bis dahin bekannten System, bspw. der Reliefschrift durchzusetzen vermochte. Weit bis ins 20. Jhd. hinein wurden auch in Deutschland noch andere Schriftsysteme gelehrt, die vielleicht zum Lesen, aber weniger zum Schreiben geeignet waren. 

Den weltweiten Durchbruch seiner Sechspunkt-Idee erlebte Louis Braille nicht mehr. Diese Tragik wollte Thomas Zwerina in „Eine Fingerkuppe Freiheit“ – angelehnt an historisch belegte Fakten – durch eine besondere Poesie zu überwinden versuchen. Der studierte Germanist und Anglist hat seine Sprache der Handlungszeit angepasst und verleiht ihr nebenbei eine musikalische Spur: „Ich habe den Roman immer wieder auf die Leichtigkeit befragt.“ Rhythmus und Musikalität sind für Zwerina, der seiner zweiten großen Leidenschaft mit dem Duo The Cellular Fools nachgeht, ebenso Anspruch wie auch Ziel, um der besonderen Tragik des Louis Braille eine gewisse Schönheit entgegenzusetzen.


Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org. SICHTBAR – Der Podcast wird von HörMal Audiodeskription in Kooperation mit dzb lesen herausgegeben.

Cabaret mit Audiodeskripiton: Auf einem Inszenierungsfoto sind zwei Personen durch einen geöffneten roten Samtvorhang getreten. Eine Leiste mit Jahrmarktslichtern beleuchtet sie von der Seite. Die beiden Personen haben beide hellblonde, gelockte, fast schulterlange Haare. Sie tragen ein rosa Pailettenkleid mit schwarzem Fransensaum, Foto: Björn Klein, Schauspiel Stuttgart.

Schauspiel Stuttgart: CABARET mit Audiodeskription

Im Rahmen des Louis-Braille-Festivals 2024, das dieses Jahr in Stuttgart stattfindet, haben wir am Donnerstagabend, den 02. Mai 2024, um 19:30 Uhr die Gelegenheit in Kooperation mit dem Schauspiel Stuttgart das bekannte Musical CABARET mit Audiodeskription aufzuführen. Wir laden alle Interessierten herzlich zu einem stimmungsvollen Abend ein. Musical von Joe Masteroff (Buch), John Kander (Musik) und Fred Ebb (Gesangstexte) nach den „Berlin Stories“ von Christopher Isherwood.

Das Schauspiel Stuttgart schreibt zum Stück

Willkommen, bienvenue, welcome / Fremder, étranger, stranger / Schön, dass ihr da seid / Je suis enchanté! / Happy to see you … – singt der Conférencier und verführt seine Gäste in die zwielichtige Unterwelt des Kit Kat Clubs. Es sind die 1920er Jahre in Berlin. Eine Zeit, geprägt von extremer Armut und hemmungslosem Genuss, in der man den eigenen Körper für ein bisschen Lebenslust verkauft.
Hier verliebt sich der amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw in die Sängerin Sally Bowles. Sie ist der gefeierte Star der Show und träumt von einer Karriere als Schauspielerin. Clifford schlägt sich als Englischlehrer durch und schreibt an einem Roman. Als Sally arbeitslos wird, zieht sie zu dem jungen Schriftsteller. Sie werden ein Paar und planen eine gemeinsame Zukunft. Auch Cliffords Pensionswirtin, das Fräulein Schneider, ist frisch verliebt. Sie möchte den jüdischen Gemüsehändler Schulz heiraten. Doch der beginnende faschistische Terror lässt die privaten Träume schnell zerplatzen. Nazischergen zerstören das Gemüsegeschäft. Fräulein Schneider nimmt von ihren Heiratsabsichten Abstand. Cliffords Freund, der Devisenschmuggler Ernst Ludwig, entpuppt sich als Handlanger der braunen Gewalt. Die politische Gefahr vor Augen will Clifford Deutschland zusammen mit Sally verlassen. Doch sie entscheidet sich für ihre Karriere und bleibt in Berlin.
Das Musical Cabaret erzählt von der Liebe in den Wilden Zwanzigern und von ihrem Scheitern angesichts der nationalsozialistischen Machtergreifung.

Cabaret basiert auf den autobiografischen Erzählungen des britisch-amerikanischen Schriftstellers Christopher Isherwood (1904–1986). Angezogen von dem Ruf und der sexuellen Freizügigkeit der Stadt Berlin, war Isherwood nach einem abgebrochenen Medizinstudium 1929 nach Deutschland gekommen, um einen großen Berlin-Roman zu schreiben. Seine Erlebnisse aus dieser Zeit veröffentlichte er in dem Buch Good bye to Berlin (1939). 1933 emigrierte er nach Kalifornien, wo er als Drehbuchautor arbeitete. In den 1950er Jahren wurde er zu einer Ikone der Schwulen- und Lesbenbewegung, weil er sich als einer der ersten prominenten Autor:innen zu seiner Homosexualität bekannte.

Das Stück dauert etwa 2 Stunden und 45 Minuten inklusive einer Pause. Weitere Informationen auf der Seite des Schauspiel Stuttgart: https://www.schauspiel-stuttgart.de/spielplan/a-z/cabaret/

Zum Ablauf: Das Stück beginnt um 19:30 Uhr. Wir planen für das Stück eine Bühnen- und Tastführung. Treffpunkt hierfür ist nach derzeitigem Stand etwa 17 Uhr. Genauere Informationen teilen wir dir nach Anmeldung mit. Wir unterstützen sehbehinderte und blinde Gäste gerne beim Einlass zum Veranstaltungsort. Informationen zum Treffpunkt und der genauen Treffzeit geben wir individuell bei einer Anmeldung zum Event bekannt. Wenn du die Veranstaltung gerne mit einer Begleitperson besuchen möchtest, aber niemand aus deinem Umfeld mitkommen kann, dann melde dich gerne bei uns! Wir versuchen, eine Lösung zu finden und haben bei Bedarf Begleitpersonen in unserem Team, die diesen Abend gerne gemeinsam mit dir besuchen.

Der Ticketpreis: Der Ticketpreis beträgt wahlweise 41 oder 50 Euro. Bei Personen mit ausgewiesener Sehbehinderung gewährt das Schauspiel 50 % Rabatt auf den Ticketpreis und eine Begleitperson ist frei.

Ticketbestellungen  werden direkt an der Tageskasse des Schauspiels und telefonisch unter 0711-202090 entgegengenommen. Bitte teile den Kolleginnen und Kollegen mit, dass du Tickets für die Audiodeskription bestellen möchtest. Melde dich nach deiner Ticketbuchung auch bitte noch einmal beim Team von HörMal Audiodeskription. Wir lassen dir vor der Veranstaltung noch Informationen zum Zeit- und Treffpunkt für die Tastführung zukommen. Du erreichst uns unter veranstaltungen@hoermal-audio.org oder per Telefon unter 0341-33208860. Deine Ansprechpartner sind Florian Eib und Tomke Koop. Melde dich gerne auch bei jeglichen Rückfragen.

Fotorechte: Schauspiel Stuttgart / Björn Klein