Hinter den Kulissen beim Blindenfußball
Eine neue Folge von SICHTBAR – Der Podcast mit Wolf Schmidt, der nicht nur ein kreativer Kopf, sondern auch der Trainer der Blindenfußball-Mannschaft vom FC St. Pauli ist. Anlässlich des anstehenden Finales der Blindenfußball-Bundesliga am 24. Oktober 2020 in Magdeburg hat sich Tomke Koop mit Wolf Schmidt in Hamburg getroffen, um ihn und seine Arbeit besser kennenzulernen. Schmidt spricht dabei nicht nur über seine Erfahrungen im Blindenfußball, sondern auch über seinen persönlichen Weg vom Kindesalter, Kreativität und die Anfänge der Blindenreportage bei St. Pauli. Viel Spaß beim Hören!
- Transkript (PDF) – Folge: Blindenfußball-Trainer Wolf Schmidt
Vom Schüler in New York über die Land-WG bis zur Blindenreportage
Das Leben von Wolf Schmidt ist alles andere als eintönig. Seine ersten zwei Schuljahre verbrachte er in New York, da sein Vater dort für einige Zeit forschte. Nach diesen zwei Jahren ging es für die Familie wieder zurück nach Deutschland, wo Schmidt schon in der Schulzeit seine Interessen und Talente erkannt hat, die vor allem im kreativen Bereich und im Sport liegen. Nach der Schulzeit hat er sich neben seinem Zivildienst daher in einer Land-WG kreativ ausgelebt, Musik gemacht (Wolf Schmidt ist leidenschaftlicher Bassist) und gemalt. „Manchmal wünsche ich mir, mit einem anderen Bewusstsein diese Zeit noch mal erleben zu können“, sagt Wolf Schmidt über die Zeit der 80er.
Nach dem Zivildienst absolvierte Schmidt ein Film-Studium und arbeitete anschließend in Agenturen. In den 90ern fing Wolf Schmidt mit 25 Jahren an, beim FC St. Pauli in der 3. Herren-Mannschaft zu spielen. Im Gespräch erzählt Schmidt, dass Sport schon immer eine große Rolle in seinem Leben gespielt hat. Dies zeigt sich auch darin, dass er – obwohl er Film studierte – mehr Fußballer als Regisseure kannte. Nachdem sich beruflich in der Film-Branche einige Änderungen ergaben, sagte Schmidt sich selbst, dass er nur noch Dinge tun möchte, die er wirklich gut findet. Gesagt, getan!
Zum Ende seiner Zeit in der Film-Branche ergab sich ein Zufall, der Schmidts Lebenslauf bis heute geprägt hat. Während eines Spiels vom FC St. Pauli fing Schmidt im Stadion an, einem vor ihm stehenden Blinden das Spielgeschehen zu beschreiben. Wie es dazu kam, würde an dieser Stelle mehrere Zeilen füllen. In der Podcast-Folge gibt es alle Einzelheiten dazu. In Kurzform: Durch dieses zufällige Zusammentreffen entstand 2004 die Blindenreportage beim FC St. Pauli. Schmidt ist bis heute im Bereich Blindenreportage aktiv und für ihn zählt vor allem, dass auch Fans mit Sehbehinderung ein gleichberechtigtes Fan-Dasein ausleben können.
Vom Kinder-Trainer zum Blindenfußball
Gleichzeitig fing Schmidt 2006 an, einen Trainer-Lehrgang und eine Ausbildung speziell zum Kinder-Trainer zu absolvieren, da er zu dieser Zeit anfing, die Fußball-Mannschaft seiner Tochter zu trainieren. Über sich selbst sagt er übrigens, dass er nie der beste Spieler war. Seine Stärke liegt vielmehr im räumlichen Denken – wie müssen z. B. einzelne Teammitglieder stehen, wie können Räume angelaufen werden und wie entsteht ein sicherndes Spiel. 2009 fehlte dann der Blindenfußball-Mannschaft von St. Pauli ein Trainer für den Besuch eines Turniers in Köln. Schmidt wurde angefragt und sagte zu: „Ich mache nur die Vorbereitung für das Turnier. Aber dann ist Feierabend.“
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Das Training der Blindenfußballer machte Schmidt so viel Spaß, dass er bis heute sein Herzblut in diese Tätigkeit steckt. Dabei kommt ihm auch seine Ausbildung zum Kinder-Trainer zugute, denn die Inhalte kann er gut auf das Training adaptieren. Seitdem hat Schmidt den Blindenfußball stetig weiter vorangetrieben. Allerdings hätten sich mit der Zeit dadurch auch die Arbeitsfelder und die Intensität deutlich gesteigert – alles im Ehrenamt wohlgemerkt. Schmidt sieht das Problem, dass der Sport in einer professionalisierten Form von zu wenig Menschen mitgegangen wird. Für die Zukunft gebe es hier ein klares Handlungsfeld, sagt der gebürtige Hamburger: Den Blindenfußball in die Breite entwickeln und Nachwuchs finden, um den Sport auch weiterhin zu erhalten. Insgesamt ist Schmidt der Meinung, dass Leistung im Bereich Behinderung zu Unrecht unterrepräsentiert ist, es fände noch keine Gleichberechtigung statt und daran müsse gearbeitet werden.
Wolf Schmidt gibt gerne sein Wissen weiter – und das nicht nur national, sondern auch international. Er war bereits in der Schweiz und in Kambodscha aktiv, wo der dabei half, Blindenfußball-Trainer auszubilden und auch dort das Thema in die Breite zu bringen und Menschen aus „ihren stigmatisierten Behindertenrollen zu befreien“, so Schmidt.
Als nächstes geht es für die Mannschaft vom FC St. Pauli zum Bundesliga-Finale nach Magdeburg. Am 24. Oktober 2020 spielen sie um 15 Uhr gegen den MTV Stuttgart. Nach unserem Gespräch musste Schmidt übrigens direkt los zum Training, denn die Mannschaft bereitet sich intensiv vor. Für den FC St. Pauli ist es das vierte Ligafinale in Folge, wobei sich in den letzten zwei Jahren die gegnerische Mannschaft jeweils durchsetzte. Das Spiel kann um 15 Uhr im Livestream auf dem YouTube-Kanal des FC St. Pauli-Blindenfußball verfolgt werden. Wir wünschen allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Erfolg!