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Sehbehinderte und Blinde

Audiodeskription im Schauspiel: Das Foto zeigt zwei Gäste der Audiodeskriptionspremiere am Schauspiel Stuttgart bei der Tastführung. Lächelnd betrachten sie ein Fuchscollier auf einem Kleiderständer. Eine der Personen befühlt das Kunstfell des Colliers. Foto: Maura Münter.

Schauspiel mit Audiodeskription: „Cabaret“ in Stuttgart

Schauspiel mit Audiodeskription: Das Foto zeigt eine Gruppe verschiedener Personen, teilweise mit Langstock, gemeinsam mit Florian Eib von HörMal Audiodeskription auf der Bühne des Schauspiels in Stuttgart bei einer Tastführung. An der Bühnenkante leuchten viele rote und weiße Glühlämpchen. Foto: Maura Münter.
Eine Tast- und Bühnenführung vor dem Stück mit Audiodeskription eignet sich, um blinde und sehbehinderte Gäste schon vor dem Stück mit der Kulisse, wichtigen Requisiten und Kostümen vertraut zu machen. Foto: Maura Münter.

Schauspiel mit Audiodeskription

Fast ein ganzes Jahr haben wir auf eine der größten Produktionen mit Audiodeskription, die wir bisher begleiten konnten, hingearbeitet. Am 02. Mai 2024 gab es am Schauspiel Stuttgart zum allerersten Mal eine Aufführung mit Live-Audiodeskription. Schauspiel mit Audiodeskription ist deutschlandweit mittlerweile nicht komplett neu, aber keinesfalls alltäglich. Zur stimmungsvollen Inszenierung „Cabaret“ konnten wir eine erfreuliche Anzahl von über 80 blinden- und sehbehinderten Gästen aus ganz Deutschland begrüßen. Und es gab sogar noch mehr Ticketanfragen. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass wir am 01. Juni 2024 noch eine weitere Vorstellung mit Audiodeskription anbieten können.

Vorplanungen für eine Audiodeskription

Eine unserer ersten Tätigkeiten ist es häufig, die Gegebenheiten am Haus zu prüfen. Unsere Fragen dabei sind etwa: Wo befinden sich gut zugängliche Sitzplätze für unsere blinden und sehbehinderten Gäste und mitunter auch deren Führhunde? Welche Möglichkeiten für eine Einsprache der Live-Audiodeskription gibt es, zum Beispiel eine Sprecherkabine. Oder müssen andere Lösungen gefunden werden? Funktioniert unsere mobile Audiotechnik einwandfrei? Und wie gestaltet sich die Zugänglichkeit im gesamten Haus?

In der Folge können wir uns dann etwas mehr auf das Stück konzentrieren. Dabei ist jede Produktion unterschiedlich. Ein erster Sichteindruck zeigt uns bereits, wo wir unseren Fokus legen müssen. Sind viele verschiedene Darstellerinnen und Darsteller zu unterscheiden? Wie sieht das Bühnenbild aus? Wie gut erzählt sich die Handlung durch den Sprechtext und wie ist das Verhältnis aus gesprochenem Text und wortloser Spielhandlung? Außerdem hat jedes Stück seine eigene Handschrift, die wir unserer Audiodeskription auch widerspiegeln wollen.

Texterstellung und Proben für Schauspiel mit Audiodeskription

Die Textbearbeitung dauert je nach Stücklänge sieben bis zehn Tage. Wir arbeiten dabei in der Regel im Tandem mit einer blinden Person, um die Qualität der Audiodeskription zu gewährleisten. Warum dies sinnvoll ist, damit hat sich übrigens auch der Deutschlandfunk in ihrem Beitrag „Wenn Sehende Blinden Filme beschreiben“ beschäftigt. Danach geht es ans Proben, wobei wir immer komplette Durchläufe proben. Eine weitere erfahrene Autorin bzw. Autor für Audiodeskription gibt in einer Art zusätzlichen Redaktion Feedback. Nach jedem Durchlauf beginnt eine weitere Runde Feinarbeit. Bei „Cabaret“ haben wir insgesamt zwei komplette Durchläufe geprobt, was für die Qualität der Audiodeskription sehr wichtig war. Schauspiel mit Audiodeskription bedeutet nicht immer nur gesprochener Text, sondern auch häufig Improvisation, Artistik, Tanz oder auch andere Choreografien. All das war Teil der Inszenierung,  weshalb wir hier im besonderen Maße „üben“ mussten.

Audiodeskription im Schauspiel: Das Foto zeigt zwei Gäste der Audiodeskriptionspremiere am Schauspiel Stuttgart bei der Tastführung. Lächelnd betrachten sie ein Fuchscollier auf einem Kleiderständer. Eine der Personen befühlt das Kunstfell des Colliers. Foto: Maura Münter.
Da während des Stückes oft wenig Zeit bleibt, Kostüme und Requisiten ausgiebig zu beschreiben, kann vor dem Stück eine Tastführung durchgeführt werden. Foto: Maura Münter.

Bühnen-, Tastführung und akustisches Programmheft

Eine Theater-Audiodeskription macht nie ein neues Stück, sondern sie ergänzt das bereits vorhandene sinnvoll, um ein möglichst gutes Verständnis für blinde und sehbehinderte Gäste zu gewährleisten. Währenddessen bleibt aber häufig für Erklärungen zu den aufwendig gestalteten Kostümen, Bühnenbildern und Requisiten zu wenig Zeit. Deshalb planen und organisieren wir – wenn möglich – fast immer Bühnen- und Tastführungen. Damit haben wir die Möglichkeit, bereits vor Stückbeginn einen Eindruck von dem zu vermitteln, was während der Aufführung passiert. Ein besonderes Merkmal von „Cabaret“ war die stilvoll schlichte, aber doch technisch sehr interessante Bühneninstallation, die wir unseren Gästen schon vor dem Stück näher bringen konnten. Die Unterstützung des Fachpersonals am Haus war hierbei von besonderer Bedeutung.

Detaillierte Kostüm-Beschreibungen und auch die Vorstellung der Stimmen, die auf der Bühne zu hören sein werden, sind häufig von Interesse. Deshalb erarbeiten wir häufig ein Akustisches Programmheft, das man sich vor der Vorstellung anhören kann. Es enthält Elemente eines klassischen gedruckten Programmhefts und auch weiterführende Beschreibungen und Hintergrundinformationen zum jeweiligen Stück.

Wir freuen uns, euch hier das Akustische Programmheft von „Cabaret“ verlinken zu dürfen. Text: Tomke Koop, Matthias Nagel und Florian Eib. Audioproduktion: Florian Eib.

Die Planung von Stückeinführungen bedarf ebenfalls einiger Überlegung und Koordination. Und natürlich jederzeit der Rücksprache mit einer sehbehinderten oder blinden Person.

Einsprache mit zwei Stimmen

Schauspiel mit Audiodeskription heißt immer auch eine Live-Einsprache. Wir werden häufig gefragt, ob es sich nicht lohnen würde, eine Stimme aufzuzeichnen und damit zu jeder Vorstellung eine Audiodeskription anbieten zu können. Das funktioniert unserer Meinung nach aus vielen Gründen nicht. Der wichtigste ist wahrscheinlich, dass eine aufgezeichnete Stimme nie auf spontanes „Spiel“ reagieren kann. Gerade das macht einen Theater- oder Schauspielabend aber aus. 

Bei „Cabaret“ standen wir zudem vor der besonderen Herausforderung, dass wir prägnant deutsche Übertitel an der Bühne eingeblendet hatten. Diese waren auch für das Verständnis des Stückes wichtig, da zu einem großen Teil Englisch gesprochen wurde. Wir haben lange überlegt, ob wir die Übertitel in unsere Audiodeskription integrieren sollen. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir nicht davon ausgehen konnten, dass das Publikum die englischen Passagen gut genug verstehen kann und die Übertitel auch für alle anderen Personen im Raum präsent waren. Für die Einsprache war die Abgrenzung der Audiodeskription zu den Übersetzungen durch eine weibliche und eine männliche Stimme wichtig. Diese Herangehensweise ist nicht alltäglich und erforderte zusätzliche Übung und Abstimmung der Sprechenden.

Schauspiel mit Audiodeskription: Einsprache durch zwei Sprecher. In einem Raum mit Akustikwänden. Links: Florian Eib in einem dunkelgrünen T-Shirt mit Strickjacke darüber. Rechts: Tomke Koop mit braunem Bob-Schnitt und schwarzem Blazer. Beide haben Headsets bei sich und sitzen vor einem großen Monitor, auf dem die eine Live-Aufnahme des Stücks „Cabaret“ abgebildet ist.
Das Sprecher-Team bestand aus Florian Eib (links, für den Haupttext der Audiodeskription) und Tomke Koop (für die Übertitel). Als Referenz wurde eine Live-Aufnahme des Stückes in einen Sprecherraum gestreamt. Foto: Frank Bürger.

Alles in allem war die Arbeit für „Cabaret“ mit Audiodeskription am Schauspiel Stuttgart ein in allen Teilen aufwendiges, aber auch absolut bereicherndes Projekt. Besonders beeindruckt hat uns, mit welcher Hingabe auch das Haus selbst sich über die Zeit dem Thema gewidmet hat. Wir bedanken uns an dieser Stelle sehr herzlich bei Tobias Rapp aus der Dramaturgie, der jederzeit zur Stelle war, sowie bei Frank Bürger für die umsichtige technische Betreuung. Bedanken möchten wir uns bei unseren ehrenamtlichen Helferinnen, die uns am Veranstaltungstag den Rücken freigehalten haben. Besonders gefreut haben wir uns über das positive Feedback unserer vielen Gäste – etliche waren überhaupt zum ersten Mal bei einem Schauspiel mit Audiodeskription dabei. Was vor gut einem Jahr begann, hat mit all den Herausforderungen und Besonderheiten, die bei dieser Produktion zu beachten waren, eine überwältigende Premiere gefeiert.

Schauspiel mit Audiodeskription: Das Foto zeigt vom Team HörMal Audiodeskription: Tomke Koop, Matthias Nagel, Florian Eib. Vom Schauspiel Stuttgart: Tobias Rapp und das Helferteam Christina Kockerd, Marlies Wiedemann und Kristin Förster. Alle lächeln in Richtung Kamera und stehen im Theaterfoyer vom Schauspiel Stuttgart hinter zwei Tischen mit Audioguides und Kopfhörern. Links und rechts steht jeweils ein Banner vom Schauspiel und HörMal Audiodeskription.
Das Team des Premieren-Abends: Tomke Koop, Matthias Nagel und Florian Eib von HörMal Audiodeskription, Tobias Rapp vom Schauspiel Stuttgart und das Helferteam Christina Kockerd, Marlies Wiedemann und Kristin Förster. Foto: Maura Münter.
International Low-Vision Song Contest mit Audiodeskription: Das Bild zeigt ein schwarz-weiß Foto eines Mikrofons. Rechts neben dem Mikrofon findet sich das Logo des International Low-Vision Song Contests. Das Logo ist eine Illustration einer Weltkugel, die Kontinente in Grau, die Meere in Weiß. Auf der linken Seite vor das Bild gelegt ein blauer Notenschlüssel, der etwas kleiner als die Weltkugel ist.

Low-Vision Song Contest: Musik aus aller Welt

 

International Low-Vision Song Contest

International Low-Vision Song Contest mit Audiodeskription: Das Bild zeigt ein schwarz-weiß Foto eines Mikrofons. Rechts neben dem Mikrofon findet sich das Logo des International Low-Vision Song Contests. Das Logo ist eine Illustration einer Weltkugel, die Kontinente in Grau, die Meere in Weiß. Auf der linken Seite vor das Bild gelegt ein blauer Notenschlüssel, der etwas kleiner als die Weltkugel ist.

Der International Low-Vision Song Contest ist ein Musikwettbewerb für blinde und sehbehinderte Künstlerinnen und Künstler. Das Projekt des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands (DBSV) wird in Kooperation mit VIEWS International organisiert. Die Idee entstand schon vor einiger Zeit. Als die Pandemie das öffentliche Leben zum Erliegen brachte, nahm der DBSV die Idee zum Anlass, eine Plattform zu schaffen, auf der blinde und sehbehinderte Musikschaffende digital zusammenkommen konnten. So entstand 2021 die erste Ausgabe des Low-Vision Song Contests, die ein voller Erfolg war. In 2023 geht der Contest in die zweite Ausgabe. Dieses Mal ist das Teilnehmerfeld sogar noch erweitert. Waren es bei der ersten Ausgabe noch europäische Musikschaffende, sind in 2023 sogar Teilnehmende aus aller Welt mit dabei, zum Beispiel aus Kanada und Nepal.

So läuft der International Low-Vision Song Contest ab

Jedes Teilnehmer-Land entsendet eine Person in das große Finale des Low-Vision Song Contests. Diese werden in den jeweiligen nationalen Vorentscheiden ermittelt, die je nach Land unterschiedlich ausgestaltet werden. Der deutsche Vorentscheid fand in einem vom DBSV moderierten Online-Stream statt. Jeder Künstler und jede Künstlerin stellte sich kurz selbst vor. Anschließend erfolgte eine Beschreibung des eingereichten Musikvideos oder Fotos durch HörMal Audiodeskription, bevor der Song abgespielt wurde. Nach der Darbietung aller Songs, konnten die Zuschauenden abstimmen. 

Dem DBSV war es wichtig, die Teilnahme möglichst barrierearm zu gestalten. Jeder Song – sofern er eine Eigenkreation ist – wird zugelassen, egal ob hochwertig im Studio produziert oder bei einem Auftritt gefilmt. „Nicht jeder hat großes Produktions-Equipment zu Hause, manche Leute fangen erst an, Musik zu machen. […] Wir wollten, dass die Leute kreativ werden und ihre Kunst bei uns vorstellen können, egal wo sie auf ihrer Reise als Musiker stehen“, erklären uns Robbie Sandberg und Felix Högl, Projektreferenten des DBSV. Wenn eine Band antritt, dann muss mindestens eine Person blind sein oder eine Sehbehinderung haben und an den Lyrics des Songs beteiligt gewesen sein. 

Das große Finale des Low-Vision Song Contests 2023 findet am 12. Mai um 20 Uhr auf dem YouTube-Kanal des DBSV-Jugendclubs statt. 

Podcast zum International Low-Vision Song Contest

Gemeinsam mit den Projektreferenten Robbie Sandberg und Felix Högl vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband hat Tomke Koop von HörMal Audiodeskription im Rahmen von SICHTBAR – Der Podcast eine Spezialfolge aufgenommen. Robbie und Felix geben spannende Einblicke in die Organisation des Contests und plaudern aus dem Nähkästchen. Wir erfahren unter anderem, wie sich der Teamgeist und das Teilnehmerfeld weiterentwickelt haben, wie die internationale Kommunikation funktioniert und was bei der Planung des Contests zu beachten ist.

Wir freuen uns, als Dienstleister für Audiodeskription Teil des International Low-Vision Song Contests zu sein. Allen Teilnehmenden wünschen wir viel Erfolg!

Wie funktioniert Blindentennis? In einer Tennishalle in der Nähe von Berlin stehen Philip Sauer, Lars Stetten, Bianka Gräming und Torsten Gutsche nebeneinander an eeinem Tennisnetz. Sie tragen Sportkleidung. Die Trainingsgruppe hat Tennisschläger in der Hand. Alle lächeln uns an, Foto: HörMal Audiodeskription

SICHTBAR-Podcast: Wie funktioniert Blindentennis?

Wie funktioniert Blindentennis?

Spiel, Satz und Sieg! Das gilt auch fürs Blindentennis. Eine Sportart, die dem Tennis für Sehende eigentlich sehr ähnelt, aber dann doch ganz anders ist. Wie funktioniert Blindentennis? Lars Stetten und Bianka Gräming, die jeweils amtierenden Deutschen Meister in ihrer Klasse, sowie ihr Trainer Torsten Gutsche bringen euch in dieser Folge die Welt dieser faszinierenden Sportart näher. Alle drei trainieren bereits seit über 5 Jahren zusammen beim TC Ludwigsfelde in der Nähe von Berlin und konnten gemeinsam schon einige nationale aber auch internationale Titel einfahren. Unser Reporter Philip Sauer hat sich für SICHTBAR – Der Podcast mit den Dreien in ihrer Trainingsstätte getroffen und klärt alle Fragen, die ihr über diese noch junge Sportart wissen müsst. 

Wie funktioniert Blindentennis? In einer Tennishalle in der Nähe von Berlin stehen Philip Sauer, Lars Stetten, Bianka Gräming und Torsten Gutsche nebeneinander an eeinem Tennisnetz. Sie tragen Sportkleidung. Die Trainingsgruppe hat Tennisschläger in der Hand. Alle lächeln uns an, Foto: HörMal Audiodeskription
Spaß am Spiel – von links nach rechts: Philip Sauer, Lars Stetten, Bianka Gräming und Torsten Gutsche in einer Tennishalle vor dem gemeinsamen Training, Foto: HörMal Audiodeskription.

Den ersten Treffer vergisst man nie 

Der 46-jährige in Berlin geborene Lars Stetten spielt seit Ende 2016 Blindentennis. Auf Turnieren tritt er in der Kategorie B1, also bei den vollständig Erblindeten, an. Schon im Kindesalter war Lars stark kurzsichtig und im Laufe der Jahre hat sich sein Sehvermögen nach und nach vermindert. Doch das hielt ihn nie davon ab, Sport zu betreiben. Neben dem Blindentennis spielt er bereits seit 2010 in der Blindenfußball-Bundesliga, aktuell in der 1. Mannschaft der Hertha BSC Berlin.
Seine sportliche Vorerfahrung im Fußball nützt ihm auch fürs Blindentennis. Auch wenn Lars zuvor noch nie einen Schläger in der Hand gehalten hat, dauert es nicht lange bis er die ersten Bälle übers Netz bringt. „Das war natürlich ein überragendes Gefühl so einen Ball dann mal zurückgespielt zu kriegen“, sagt Lars. Durch seinen Ehrgeiz und wöchentliches Training wird er immer besser, sodass er bald auch auf Turnieren antritt. Im Jahr 2022 auf den Nationalen Meisterschaften in Löhne gelingt ihm dann der ganz große Coup, er krönt sich zum besten Blindentennis Spieler in Deutschland. Doch sein Durst nach Erfolg ist noch lange nicht gestillt. Im Sommer 2023 tritt er erstmals bei den World Games in Birmingham an und misst sich dort mit den internationalen Größen des Blindentennis. 

Blindentennis – Auch ohne sportliche Vorerfahrung 

Etwas anders verläuft der Werdegang von Bianka Gräming. Sie ist bereits seit ihrer Geburt vollständig blind und hatte vor dem Blindentennis nur wenige Berührungen mit Sport im Allgemeinen: „Ich habe 20 Jahre keinen Sport gemacht, wer weiß, ob ich beim Blindentennis überhaupt irgendwas schaffe“, zitiert Bianka ihre Gedanken aus dem Jahr 2016, als sie an dem ersten deutschen Blindentennis Workshop der Gold Kraemer Stiftung in Köln teilnimmt. Doch ähnlich wie Lars wird auch sie direkt vom Ehrgeiz gepackt und hat schnell großen Spaß an der Sportart. Bianka ist es, die das Blindentennis letztendlich nach Brandenburg und im Endeffekt zum TC Ludwigsfelde bringt. Auch sie kann sich bei den Deutschen Meisterschaften im Jahr 2022 in Löhne gegen ihre Konkurrentinnen in der Kategorie B1 durchsetzen und darf sich deshalb heute Deutschlands beste blinde Tennisspielerin nennen. 

Das Erfolgsrezept – Training, Training, Training 

Um sich stetig zu verbessern, investieren Lars und Bianka viel Zeit und brauchen natürlich auch einen guten Trainer. Und den haben sie mit Torsten Gutsche gefunden. Torsten spielt selbst seit seiner Jugend erfolgreich Tennis, doch anders als seine Schützlinge kann er den Ball sehen. Bevor er Lars und Bianka kennenlernte, wusste er nicht mal, dass es Blindentennis überhaupt gibt. Doch als er darauf angesprochen wird, ob er sich vorstellen könnte, die beiden zu trainieren, ist er sofort dabei. Als klassischer Tennistrainer mit einer C-Trainer-Lizenz stürzt er sich in das neue Abenteuer. Doch letztendlich muss er seine Trainingsmethoden gar nicht so sehr umstellen: „Ich trainiere mit den beiden genauso, wie ich das auch mit Sehenden machen würde“, sagt Torsten. Aus diesem Grund laufen die Trainings meistens nach dem klassischen Schema ab: Ein kurzes Aufwärmprogramm, dann verschiedene Schlagübungen und am Ende gibt es ein freies Spiel. Die wichtigsten Voraussetzungen, um erfolgreich Blindentennis zu spielen, sind für Torsten: Der Spaß an Bewegung und natürlich auch am Bälle schlagen. 

Am besten einfach ausprobieren

Nahezu in ganz Deutschland gibt es Standorte, an denen Blindentennis gespielt wird. Bei Interesse könnt ihr euch gerne beim TC Ludwigsfelde über die Sportart und Kontakte informieren oder sonst auch einfach beim Tennisverein um die Ecke mal anfragen, ob dieser nicht vielleicht auch Blindentennis anbieten würde. Aber zuerst hört ihr euch am besten unsere Podcastfolge an: „Wie funktioniert Blindentennis?“ Wir haben es herausgefunden.


Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org. SICHTBAR – Der Podcast wird von HörMal Audiodeskription in Kooperation mit dzb lesen herausgegeben.

An einem Arbeitstisch leitet Tomke Koop von HörMal Audiodeskription eine Übung der Schulung zu barrierefreien Medien an. Im Hintergrund steht auf einem Aufsteller „Offener Kanal Merseburg“

Schulung zu barrierefreien Medien

 

Schulung zu barrierefreien Medien

Zahlreiche Teilnehmende an einer Schulung zu barrierefreien Medien sitzen an Tischen und blicken in Richtung einer Leinwand vor der Tomke Koop und Florian Eib zum Thema Audiodeskription sprechen.
Angeregte Diskussionen inklusive: Der Einladung des Offenen Kanals Merseburg-Querfurt sind wir gerne für eine Schulung zu barrierefreien Medien gefolgt, Foto: Offener Kanal Merseburg-Querfurt e. V.

Was gehört eigentlich alles dazu, wenn man barrierefreie Medien erstellen möchte? Diese Frage hat sich der Offene Kanal Merseburg-Querfurt gestellt und uns zu einer Schulung eingeladen. Im OK Merseburg können Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich und selbstverantwortlich Fernsehbeiträge erstellen. Ein Schwerpunkt der dortigen Arbeit ist die Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugend-Einrichtungen. Unsere Schulung war der Auftakt zu einer Workshop-Reihe über verschiedene Aspekte der Barrierefreiheit.

Inklusive Redaktion

Der Fokus unserer Schulung lag dabei auf dem Erstellen von Untertiteln und dem Thema Audiodeskription. An diesem Tag konnten wir neben einigen Studierenden der Hochschule Merseburg und manch anderen Interessierten auch die inklusive Redaktion begrüßen. Darüber haben wir uns besonders gefreut. Denn dadurch konnten wir uns auf Augenhöhe zu möglichen Bedarfen austauschen. Und auch wenn wir uns schon lange mit barrierefreien Medien befassen, haben wir trotzdem wieder etwas Neues lernen können. Wir bedanken uns für die rege Teilnahme und die sehr interessanten Fragen und Diskussionen.

Untertitel und Audiodeskription

An einem Arbeitstisch leitet Tomke Koop von HörMal Audiodeskription eine Übung der Schulung zu barrierefreien Medien an. Im Hintergrund steht auf einem Aufsteller „Offener Kanal Merseburg“
Lernen für alle: Über eine Gruppenarbeit konnten wir wichtige Erkenntnisse zum Thema Sehbehinderung und Audiodeskription vermitteln, Foto: Offener Kanal Merseburg-Querfurt e. V.

Beim Thema Untertitel gibt es viele klare Regeln, die beachtet werden sollten. Dabei geht es unter anderem um die Länge, Farbe und Schriftgröße. Außerdem konnten wir hilfreiche Tipps zur technischen Umsetzung von Untertiteln geben. Besonders praktisch konnten wir dann beim Thema Audiodeskription arbeiten. Unser Fokus lag dabei auch auf der Sensibilisierung, was es bedeutet, nichts sehen zu können. Diesem Thema haben wir uns unter anderem spielerisch genähert, wobei jeder einmal in die Lage versetzt wurde, nötige Informationen durch die Beschreibungen anderer – mehr oder weniger hilfreich – zu bekommen.

Wir bedanken uns für alle, die dabei waren und freuen uns auf zahlreiche spannende barrierefreie Medien-Produktionen.

Für Gunter Boldhaus sind Blindenführhunde eine Leidenschaft: Boldhaus steht mit der Pudelhündin Ada im Freien auf einer leichten Anhöhe. Im Hintergrund sind Häuser von Arnstadt erkennbar. Die Wiese hinter ihnen ist leicht mit Schnee bedeckt. Boldhaus ist ein mittelgroßer etwa sechzigjähiger Mann. Er trägt Jeans, eine dunkle dicke Jacke und eine Mütze. Er grinst leicht und hält in seiner linken Hand die weiße Pudeldame Ada am Führgeschirr fest.

SICHTBAR-Podcast: Blindenführhunde – Hilfsmittel mit Seele

„Das einzige Hilfsmittel mit Seele“

Für Gunter Boldhaus sind Blindenführhunde eine Leidenschaft: Boldhaus steht mit der Pudelhündin Ada im Freien auf einer leichten Anhöhe. Im Hintergrund sind Häuser von Arnstadt erkennbar. Die Wiese hinter ihnen ist leicht mit Schnee bedeckt. Boldhaus ist ein mittelgroßer etwa sechzigjähiger Mann. Er trägt Jeans, eine dunkle dicke Jacke und eine Mütze. Er grinst leicht und hält in seiner linken Hand die weiße Pudeldame Ada am Führgeschirr fest.
Ein eingespieltes Team: Gunter Boldhaus bei einem Training mit Pudeldame Ada, Foto: Florian Eib

Die schönsten Tätigkeiten sind die, die man mit Liebe und Leidenschaft ausführt. Deshalb hat Gunter Boldhaus sein Leben den Tieren, speziell den Hunden gewidmet. Eine persönliche Begebenheit brachte den ausgebildeten Tierpfleger zu seinem Lebenswerk. Als junger Mann wollte er seiner erblindenden Oma helfen. Er entschied sich für „das einzige Hilfsmittel mit Seele“, den Blindenführhund, wie er sagt.

Im Podcast berichtet Gunter Boldhaus von einer Art „Kulturschock“ im Umgang mit Blindenführhunden im Vergleich zu dem, was er zuvor bei der Armee kennengelernt hatte. Die Tiere der Hunde-Staffel seien wesentlich aggressiver auf den Menschen ausgerichtet gewesen. Das habe ihm wenig gefallen. Seine familiär bedingte Zuneigung zu Tieren passte wesentlich besser zu dem Arbeitsbereich, den er bis heute ausführt.

Zum Lebenswerk berufen

Natürlich wurde in der damaligen DDR nichts dem Zufall überlassen. So musste Gunter Boldhaus gezielt beordert werden und eine Eignungsprüfung bestehen, um als Trainer für Blindenführhunde arbeiten zu dürfen. Obwohl es schon über 40 Jahre her ist, erinnert sich Boldhaus noch sehr gut an das Vorstellungsgespräch und einen Satz des damaligen Vorsitzenden des Blindenverbands: „Sie können ein Bauteil des Blindenverbandes werden, wenn Sie Ihre Arbeit mit Herz, Seele und Engagement angehen.“ Gesagt, getan: Gunter Boldhaus überzeugte, vermutlich auch mit dem, was ihn heute noch auszeichnet. Er ist einer, der geradeaus sagt, was er denkt, und der nur das Beste für seine Tiere will: „Wir müssen Rechtsanwalt für unsere Hunde sein“, sagt er und füllt diesen Leitsatz bis heute mit jahrzehntelanger Erfahrung. 

Blindes Vertrauen zwischen Mensch und Tier

Erfahrungen hat er auch bei seinen zahlreichen Praktika im Rahmen der Ausbildung gemacht. Gunter Boldhaus ist nicht nur als Trainer für Blindenführhunde, sondern auch für Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) ausgebildet. Zu Beginn seiner Tätigkeit, erinnert er sich, war der Umgang, bspw. mit den vielen Kriegsblinden nicht leicht. Die vielen Einzelschicksale bestürzen den Anfang 20-Jährigen. 
Stolz erzählt Gunter Boldhaus indes, dass seine Führhundschule bereits seit fast 30 Jahren nach den Maßstäben der „International Guide Dog Federation“ qualifiziert ist. In seinem Trainerleben hat er mittlerweile weit über 500 Hunde an den Mann oder die Frau gebracht. Und pflegt in seinem Wohnhaus im thüringischen Arnstadt einen Familienbetrieb, zu dem selbstverständlich auch die immer anwesenden bis zu zehn „Schüler“ gehören. Zwinger-Haltung gibt es dabei nicht. Hier lebt man eine „wohnungssimulierende Haltung“. Nur dann könne das notwendige blinde Vertrauen zwischen Mensch und Tier vorbereitet werden, ist sich Boldhaus sicher. Seine vielen treuen Kundinnen und Kunden danken es ihm.

Blindenführhunde als Fulltime-Job

Nur eines konnte Gunter Boldhaus in den vielen Jahren seiner Tätigkeit nicht wirklich genießen: „Wer diese Arbeit intensiv lebt, gibt auch sehr viel Freizeit auf“, sagt er. Als Familie gemeinsam einen längeren Urlaub zu machen, sei fast unmöglich – die Verantwortung für die Hunde zu groß. Für diese Podcast-Folge hat Gunter Boldhaus Florian Eib zu sich eingeladen. Wir bedanken uns für das ausführliche und offene Gespräch mit einem Menschen, der sein Leben dem Hund und den blinden Menschen gewidmet hat. Und der bis heute – in einem Alter, in dem sich viele Menschen nach der Rente sehnen – mit Überzeugung sagt: „Ich kann zwar nicht mehr so schnell laufen wie früher, habe aber trotzdem noch genauso viel Freude an meinem Beruf.“


Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org. SICHTBAR – Der Podcast wird von HörMal Audiodeskription in Kooperation mit dzb lesen herausgegeben.

Handball WM 2023 mit Audiodeskription: Das Foto zeigt einen blau-weiß-roten Handball in Nahaufnahme. Der Ball liegt in der Ecke eines hellblauen Handball-Feldes, das durch weiße Linien markiert wird.

Handball-WM 2023 mit Audiodeskription

Handball WM 2023 mit Audiodeskription: Das Foto zeigt einen blau-weiß-roten Handball in Nahaufnahme. Der Ball liegt in der Ecke eines hellblauen Handball-Feldes, das durch weiße Linien markiert wird.
Die Handball-WM 2023 wird für blinde und sehbehinderte Fans an den Bildschirmen beschrieben. Neben dem Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender gibt es im Nachgang aller Spiele mit deutscher Beteiligung kurze Highlight-Clips, die von HörMal Audiodeskription beschrieben werden.

Jährlich erwartet uns immer Anfang des Jahres dieses große Handball-Spektakel. 2023 wird es wieder weltmeisterlich. Denn die Handball-WM 2023 findet vom 11. bis 29. Januar in Schweden und Polen statt. Deutschland zählt nicht zum engeren Favoritenkreis, aber natürlich wollen wir unserem Team trotzdem die Daumen drücken. 

Handball-WM mit Audiodeskription

Besonders freuen wir uns, dass es auch in diesem Jahr wieder einige Angebote zur Barrierefreiheit geben wird. Alle WM-Spiele, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen werden, sind auch mit Audiodeskription im TV oder im Stream erlebbar. Das sind vor allem die Spiele, bei denen die Deutsche Nationalmannschaft dabei ist.

Unser Team startet mit seinem ersten Spiel am Freitag, 13. Januar, um 18 Uhr gegen Katar. Das ZDF überträgt live. Auch das letzte Gruppenspiel am Dienstag, 17. Januar, um 18 Uhr wird live im ZDF zu sehen sein. Am Sonntag dazwischen überträgt die ARD das Spiel gegen Serbien, ebenfalls um 18 Uhr. Nach der Vorrunde, in der Deutschland gute Chancen hat, steht bestenfalls die Hauptrunde an. Dabei erwarten uns drei weitere Partien, die vermutlich am 19., 21. und 23. Januar stattfinden. Wer überträgt, steht noch nicht fest. 

Highlight-Clips mit Audiodeskription

Im Nachgang der deutschen Spiele wird es in diesem Jahr etwas Neues geben. Gemeinsam mit dem Deutschen Handballbund, der LIQUI MOLY HBL und der Deutschen Kreditbank erstellen wir Spielzusammenfassungen mit Audiodeskription. Diese werden am Tag nach den deutschen Spielen auf der Facebook– und Instagram-Seite der LIQUI MOLY HBL veröffentlicht. Wenn ihr also die Live-Spiele verpassen solltet, dann lohnt es sich, dort reinzuschauen. Weitere Informationen zum Projekt und eine direkte Verlinkung zu den einzelnen Videos findet ihr auf der Website des Deutschen Handballbundes.

Wir wünschen euch viel Spaß mit tollem und erfolgreichem Handballsport!

Blind Studieren SICHTBAR – Der Podcast: Das Foto zeigt Florian Eib und Matthias Nagel. Sie sitzen auf einer Zuschauertribüne und lächeln in die Kamera. Florian Eib hält ein Mikrofon in einer Hand. Foto: HörMal Audiodeskription

SICHTBAR-Podcast: Blind studieren – wie geht das?

Blind studieren – wie geht das?

Blind Studieren SICHTBAR – Der Podcast: Das Foto zeigt Florian Eib und Matthias Nagel. Sie sitzen auf einer Zuschauertribüne und lächeln in die Kamera. Florian Eib hält ein Mikrofon in einer Hand. Foto: HörMal Audiodeskription
Blind studieren – wie geht das? Darüber haben Florian Eib und Matthias Nagel in SICHTBAR – Der Podcast gesprochen. Matthias erklärt, wie er sein Studium gemeistert hat und welche Tipps er für angehende Studierende mit einer Seheinschränkung hat. Foto: HörMal Audiodeskription

In dieser Folge öffnen wir uns dem weiten Themenfeld Bildung für Menschen mit Handicap. Natürlich ist die Frage „Können blinde Menschen studieren?“ offensichtlich beantwortet. Wir haben über die Jahre unserer Arbeit einige Menschen kennengelernt, die mit ihrer Sehbehinderung einen Abschluss an einer Universität erworben haben. Die Frage muss also anders lauten: „Wie können blinde Menschen studieren?“ Unter welchen Voraussetzungen? Und welche Erfordernisse müssen bedacht werden? Bzw. werden diese genügend bedacht?

Wir freuen uns sehr, dass wir mit Matthias Nagel von der LAGO sprechen konnten. Die LAGO ist die Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung Baden-Württemberg. Matthias kümmert sich in seinen Beratungen um Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit. Hier ist er Quereinsteiger, weil er eigentlich ein Master-Studium im Medienbereich absolviert hat. Natürlich hat sich Matthias als früherblindeter Schüler aber auch mit dem Thema Inklusion in der Schule beschäftigt. Seine Erfahrungen und Ansichten teilt er in seiner heutigen Arbeit. Und auch mit uns in dieser Podcast-Folge.

Florian Eib hat mit Matthias Nagel über Problemstellen von Inklusion in der Bildung gesprochen. Ihr erfahrt außerdem, warum der Weg zum Studium einige Hürden bereithielt und worauf Matthias heute besonders stolz ist.


Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org. SICHTBAR – Der Podcast wird von HörMal Audiodeskription in Kooperation mit dzb lesen herausgegeben.

Svenja Fabian mit glatten langen blonden Haaren streichelt eine auf einem Gartenzaun sitzende Katze am Kopf, Foto: Svenja Fabian.

SICHTBAR-Podcast: Im Gespräch mit der blinden Psychologin Svenja Fabian

„Alleinsein ist nichts für uns Menschen“

Svenja Fabian arbeitet in Bad Homburg als Psychotherapeutin in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Schon früh wurde ihr signalisiert, dass sie mit ihrer ruhigen und empathischen Art das Talent für die Tätigkeit als Psychotherapeutin mitbringt. Mittlerweile übt sie den Beruf seit 12 Jahren mit großer Leidenschaft aus. Constantin Sträter hat mit sich mit ihr für unseren Podcast getroffen.

Svenja Fabian mit glatten langen blonden Haaren streichelt eine auf einem Gartenzaun sitzende Katze am Kopf, Foto: Svenja Fabian.
Immer gern unter Leuten und im Gespräch. Schon früh war bei Svenja Fabian die Leidenschaft für einen therapeutischen Beruf vorhanden, Foto: Svenja Fabian.

  • Transkript (PDF) – Folge: Im Gespräch mit der blinden Psychologin Svenja Fabian

„Ich habe früh gelernt: Ich bin die, die anders ist“

Eigentlich hatte Svenja Fabian den Plan, ihre Interessen für Musik und Psychologie zusammenzuführen und als Musiktherapeutin zu arbeiten. Ein sehbehinderter Musiklehrer prophezeite ihr allerdings schlechte berufliche Aussichten, weshalb sie sich für den üblicheren Weg entschied: Studium der Psychologie in Marburg, danach Ausbildung zur Psychotherapeutin. Sie profitierte davon, dass die Universität Marburg auf die Belange blinder Studierender Rücksicht nahm, etwa indem in Teilen schriftliche durch mündliche Prüfungen ersetzt werden konnten.

Etwas Gegenwind gab es für die in der Nähe von Braunschweig aufgewachsene Fabian in der Ausbildung; als sie einen praktischen Teil in einer Klinik absolvieren wollte, die auf Abhängigkeits- und Suchterkrankungen spezialisiert ist, war die Chefin skeptisch. „Die wollen Sie doch dort verarschen“, sagte die Chefin  – und sie absolvierte den praktischen Teil in einer anderen Station. Auch sonst musste sie sich öfter beweisen als sehende Kollegen, etwa wenn sie gefragt wurde, ob sie überhaupt mit Patienten arbeiten könne, obwohl sie das in ihrem Studium und der Ausbildung immer wieder nachwies. Auf ihr Fortkommen hatte das keine großen Auswirkungen: 2008 beendete Svenja Fabian die Ausbildung erfolgreich und wurde Psychotherapeutin. Erst arbeitete sie als Angestellte in einer Praxis in Neu Ansbach, seit 2020 ist sie in Bad Homburg tätig.

„Es gibt immer einen Weg“

Das Svenja Fabian ihren beruflichen Weg so erfolgreich absolviert hat, ist kein Zufall. Auch bei der Arbeit mit den Patienten ist sie der festen Ansicht, dass es immer einen Weg gibt. „Auch wenn wir 80 Stunden danach suchen müssen. Aber es wird einen Weg geben.“ In der Verhaltenstherapie arbeitet sie insbesondere gegenwarts- und zukunftsorientiert. Im Gegensatz zu anderen Verfahren wie der Psychoanalyse oder der tiefenpsychologisch fundierten Therapie steht nicht die intensive Reflektion der Lebensgeschichte und der gemachten Erfahrungen im Vordergrund; er ist lediglich Teil, der in die Therapie integriert wird. Den Weg von Menschen zu begleiten und ihnen zu helfen, bereitet Fabian noch immer große Freude. Schwierig sei allein das Abschalten, wenn sie jemandem nicht wirklich helfen kann oder jemand die Therapie abbricht.

Svenja Fabian von Sonne beschienen steht Freien. Im Hintergrund ragt eine felsige Bergwand auf. Neben ihr steht ein gefüllter Wanderrucksack, Foto: Svenja Fabian.
Mit Zuversicht begegnet Svenja Fabian den Menschen, die Sie um Hilfe bitten. Ganz nach dem Motto: Es gibt immer einen Weg. Foto: Svenja Fabian.

Auch jüngere Menschen berühren sie, etwa wenn diese am Anfang ihres Lebens stehen und verzweifelt sind, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Leben gestalten möchten. „Warum wollen sie das jetzt schon wissen“, fragt sich Svenja Fabian. 

Es sei schon interessant, wie die Patienten und psychische Probleme auch immer gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln, stellt Fabian fest. Dabei spricht sie in dem Podcast auch darüber, inwieweit man sein eigenes Glück in der Hand hat: „Glück hat auch viel damit zu tun, dass man für sich eine Dankbarkeit und eine Haltung der Achtsamkeit entwickelt. Dass man dankbar ist für das, was man hat.“


Wir sprechen in unserem Podcast „SICHTBAR“ mit Menschen über Inklusion und Barrierefreiheit. Wir porträtieren Menschen mit Behinderung, weil wir mehr über ihr Leben, die Schwierigkeiten, aber vor allem auch die Möglichkeiten wissen möchten. Dabei sind wir jederzeit auch offen für Feedback zu neuen Interview-Gästen. Schreibt uns euer Feedback und Vorschläge gerne per Mail an sichtbar@hoermal-audio.org.

Blind sein – Mandy Hamann sitzt in einer meerblauen Bluse auf einer Bank. Dahinter ragen grüne Pflanzen empor. Hamann lächelt in die Kamera. Mit beiden Händen berührt sie ein aufgeschlagenes Braille-Buch auf ihrem Schoß, Fotorechte: Mandy Hamann.

SICHTBAR-Podcast: Was bedeutet es, blind zu sein?

Was bedeutet es, blind zu sein?

Dass sich blinde Personen in der Welt der Sehenden zurechtfinden müssen, ist ganz alltäglich; umgekehrt ist das eher selten der Fall. Es gibt wenige Orte, an denen Sehende einen Einblick in die Welt der Blinden bekommen. Ein solcher Ort ist das Blindenmuseum in Berlin-Steglitz. In dieser Folge von SICHTBAR – Der Podcast spricht Gästeführerin Mandy Hamann mit unserem Autor Constantin Sträter. Für ihn ist es das erste persönliche Treffen mit einer blinden Person. In einem authentischen Gespräch gibt Mandy Hamann einen offenen und ehrlichen Einblick, was blind sein bedeutet.

Das Deutsche Blindenmuseum Berlin-Steglitz in der Außenansicht. Ein Eisentor führt auf das Gelände auf dem ein dreistöckiges Backsteinhaus mit Bogenfenstern führt. Vor dem Haus steht eine junge Weide, Copyright Wikimedia Common, Foto: Muns.
Ein Ort des Kennenlernens im Südweste von Berlin. Das Deutsche Blinden-Museum Steglitz.
Copyright Wikimedia Common, Foto: Muns.

  • Transkript (PDF) – Folge: „Was bedeutet es, blind zu sein?“

Einblick in die Welt von Blinden

Das Blinden-Museum Steglitz wurde bereits 1890 gegründet. Es überlebte in seiner bewegenden Geschichte zwei Weltkriege, mehrere Schließungen und Umbenennungen. Seit 2005 begrüßt es unter dem aktuellen Namen mehrere tausend Interessierte jährlich.
Den oft auch jungen Gästen werden auf ca. 100 Quadratmetern Exponate gezeigt, die über den Alltag und die technischen Hilfsangebote für Blinde und Sehbehinderte informieren. Und die außerdem zum Mitmachen einladen. Zum Beispiel ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel für Blinde. 

Eine aktuelle Dauer-Ausstellung ist dem Erfinder der Blindenschrift Louis Braille gewidmet. Das Blinden-Museum Steglitz befindet sich in der Rothenburgstraße 14 in 12165 Berlin. Es liegt neben einer Blinden- und Berufsfachschule und dem Hauptsitz des Blindenhilfswerks Berlin e. V. Während der Corona-Pandemie ist das Museum geschlossen. Regulär ist es immer am Mittwoch von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Eine kostenlose Führung gibt es immer am 1. Sonntag im Monat. Gruppenführungen sind nach Anmeldung möglich. Der Eintritt ist frei, eine Spende ist natürlich willkommen.

„Sie sind als Blinder auf Kontaktfreudigkeit angewiesen“

Blind sein – Mandy Hamann sitzt in einer meerblauen Bluse auf einer Bank. Dahinter ragen grüne Pflanzen empor. Hamann lächelt in die Kamera. Mit beiden Händen berührt sie ein aufgeschlagenes Braille-Buch auf ihrem Schoß, Fotorechte: Mandy Hamann.
Mandy Hamann ist ein lebensfroher Mensch. Sie spricht sehr offen über ihre Sehbehinderung. Auch, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema „Blindheit“ in der Gesellschaft zu erzeugen, Fotorechte: Mandy Hamann.

Unsere Gesprächspartnerin Mandy Hamann ist 1974 in der DDR geboren und als Frühgeburt im Brutkasten teilerblindet. Im Alter von 15 Jahren schritt diese Erblindung aufgrund einer nicht erkannten Netzhautablösung voran.  Nach dem Besuch einer Blindenschule und eines Internats machte sie eine Facharbeiter-Ausbildung zur Telefonistin und für Schreibtechnik, bevor sie für 14 Jahre beim Finanzamt in Fürstenwalde arbeitete. 

Mandy Hamann spricht heute nicht nur häufig und sehr offen über ihr Leben mit Sehbehinderung, sondern ist auch „glückliche Mutter“ und in vielen Interessengruppen aktiv. Etwa dem „Arbeitskreis für Verkehr, Umwelt und Mobilität“ (ABSV), einer Eltern-Kind-Gruppe und dem „Arbeitskreis Kultur und Freizeit“ (AKF). Sie leitet außerdem Workshops, etwa für Fahrgastbegleiter beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).

Zwei ausgefahrene Blindenstöcke vor Beinpaaren auf einem ein-meter-breiten Filzteppich, Foto: Dialoghaus Hamburg gGmbH.

Im Dialog bleiben

Zwei ausgefahrene Blindenstöcke vor Beinpaaren auf einem ein-meter-breiten Filzteppich, Foto: Dialoghaus Hamburg gGmbH.
Für jung und alt eine neue Erfahrung: Das Gehen mit dem Blindenstock, Fotorechte: Dialoghaus Hamburg gGmbH.

„Wie sie sehen, sehen Sie nichts“. Eigentlich ist das eine Art Running-Gag, der bei den Dunkelführungen im Dialoghaus Hamburg aber trotzdem immer wieder zündet. Hier werden normalerweise täglich mehrmals Gruppen bis zu acht Personen willkommen geheißen. Ausgestattet mit einem Langstock können Interessierte sich für eine knappe Stunde in die spezielle Lage eines blinden Menschen versetzen. Natürlich geht es dabei nicht darum, im Dunkeln herumzusitzen. Stattdessen werden verschiedene Räume und Situationen durchquert, erhört und ertastet. Für die einen Spaß, für die anderen eine wichtige Erfahrung. Momentan kommen allerdings aufgrund der Corona-Krise keine Besucher, was das Dialoghaus in ein existenzielles Dilemma bringt.

Unser HörMal-Spendentopf
Wir sammeln für das Dialoghaus Hamburg.

Vielen Dank an alle Unterstützer!

„Dialog im Dunkeln“ …

… so heißt sie, die Dunkel-Ausstellung im Dialoghaus Hamburg. In die Einrichtung kommen jährlich unter anderem über 60.000 Schülerinnen und Schüler. Seit der Gründung im Jahr 2000 habe man insgesamt bereits 1,5 Millionen Besucher empfangen, erzählt Andreas Heineke in einem Video auf der Website. Heineke ist Geschäftsführer vom Dialoghaus Hamburg. Man habe gerade zwanzigjährigen Geburtstag feiern wollen, sagt er: „Der 1. April war für uns eigentlich auch ein Zeitpunkt, an dem wir in die Zukunft schauen wollten. Das heißt, wir dachten an zwanzig Jahre Zukunft und wollten mit Ihnen darauf anstoßen. Aber Corona hat uns wie allen einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Es sei nun nicht klar, so Heineke weiter, ob man überhaupt noch zwanzig Tage überleben könne. Deshalb werden Spenden gesammelt. Auch um Arbeitsplätze zu sichern. Das gilt zum Beispiel für die sehbehinderten und blinden Mitarbeiter, die als „Blindenführer“ oder an der Dunkelbar beschäftigt sind.

Im Dialoghaus Hamburg: Auf sechs orange beleuchteten Quadraten ist in etwas hellerer abgesetzter Schrift und nach Buchstabengruppen aufgeteilt DIA-LOG-IM-DUN-KEL-N zu lesen, Foto: Florian Eib.

„Es war Liebe auf den ersten Griff“

Dazu eine kleine Anekdote, die wir aus unserem Bekanntenkreis erfahren haben. Und die vielleicht ein wenig den Stellenwert dieser Ausstellung für alle Beteiligten verdeutlicht.

Von 2004 bis 2007 gab es „Dialog im Dunkeln“ auch in Leipzig. Zwei unserer regelmäßigen Gäste haben dort gearbeitet, selbst Gruppen durch die Dunkelheit geführt und erinnern sich noch gut an diese Zeit: „Das, was wir da gemacht haben, war für die Öffentlichkeit wichtig. Wir konnten einfach ein bisschen aufklären, dass wir normale Menschen sind, auch wenn wir nicht gut sehen können. Wir konnten zeigen, dass wir nicht traurig in der Ecke sitzen, sondern einfach auch Spaß am Leben haben“, sagt Jacky. Sie ergänzt: „Wir hatten auch das Gefühl, dass sich die Leute im Dunkeln mehr getraut haben, uns auch mal direkt zu fragen. Wie wir so zurechtkommen oder wo wir vielleicht Probleme oder auch keine Probleme haben. Das war sehr angenehm.“ Jacky arbeitete von Beginn an beim „Dialog im Dunkeln in Leipzig“. Und sie verbindet auch noch eine ganz besondere Geschichte mit der Ausstellung. Sie hat dort nämlich Maurice, ihren damaligen Arbeitskollegen, kennen und lieben gelernt – an der Dunkelbar. „Liebe auf den ersten Griff“, können die beiden über diese glückliche Begebenheit heute schmunzeln. Dialog ist im „Dialog im Dunkeln“ eben auf viele unterschiedliche Weisen möglich.

Das Dialoghaus Hamburg hat sich entwickelt

Ein Mann zeigt auf ein Symbol mit einem ausgestreckten Zeigefinger vor einem Mund. Er selbst demonstriert die Geste gleichzeitig und formt mit den Lippen ein „Sch“, Foto: Dialoghaus Hamburg.
Auch Gehörlose und ältere Menschen sind im Dialoghaus Hamburg angestellt, Foto: Dialoghaus Hamburg GmbH.

Einen kleinen Schwenk zurück aus der Messestadt in den Norden. „Dialog im Dunkeln“ ist die älteste und wahrscheinlich auch bekannteste Ausstellung im Dialoghaus Hamburg. Seit einigen Jahren werden aber auch andere Sensibilisierungs-Einheiten angeboten. So zum Beispiel „Dialog im Stillen“, wo über Gebärdensprache, Mimik und Gestik der Umgang mit Hörgeschädigten thematisiert wird. Ebenso wichtig ist der „Dialog mit der Zeit“, wo ältere Menschen einen Einblick in ihre Lebenswelt geben. All diese Ausstellungen bieten die Gelegenheit für Begegnungen der besonderen Art.

Deshalb möchten wir das Dialoghaus Hamburg unterstützen und rufen Leserinnen und Leser dieses Artikels ebenfalls zu einer Spende in unseren Spendentopf auf. Dieser geht in vollem Umfang in den Spendentopf des Ausstellers über. Wir möchten einen Teil dazu beitragen, dass das Dialoghaus Hamburg als eines von weltweit 150 Ausstellungsstätten dieser Art auch über die Corona-Krise hinaus erhalten bleiben kann! Bei Rückfragen sind wir über unsere Kontaktdaten jederzeit erreichbar.